Glauben Sie an negative Auswirkungen auf das Image der Unternehmen in der Region?

Klar. Solche Ereignisse schaden dem Ansehen des Wirtschaftsstandorts Deutschland und insbesondere schaden sie Sachsen: weltweit diese Bilder hasserfüllter Menschen, die brüllend durch Chemnitz laufen, weltweit diese dummen Zitate. Wir können nur versuchen, ein Zeichen zu setzen, Haltung zu zeigen: Wir stehen für ein anderes Sachsen, für Weltoffenheit. Wir haben ausländische Mitarbeiter, unsere Kunden leben in aller Welt, wir blicken über den Tellerrand – und wir sind in höchstem Maße abhängig von der Welt außerhalb dieses Freistaates. Unser Markenname kommt aus dem Griechischen und bedeutet so viel wie „Recht, Gesetz, gerechte Verteilung“. Dem haben wir uns verschrieben. Und wir erinnern uns auch daran, dass auch wir selbst es waren, die vom Mauerfall und von Hilfen aus dem Westen profitierten – ohne diese gäbe es uns nicht. 

Leiten Sie konkrete Schritte ein?

Wir schulen gemeinsam mit dem Verein Open Saxony seit Frühjahr unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Es geht um Faktenchecks der AfD-Polemik, um Argumentationshilfen gegen rechts, aber auch darum, die Codes der Szene zu erkennen oder Antworten zu finden etwa auf die Frage: Wie gehe ich etwa mit rassistischen Äußerungen in meinem Team um? Wir wollen unseren Kolleginnen und Kollegen das Rückgrat stärken. Das wird von unserer Belegschaft gut angenommen. Und wir versuchen, ins Gespräch zu kommen: unter Kollegen, mit Handelspartnern, Politikern, Endkunden, mit Ihnen, der Presse ...

Sind die Unternehmen und Marken in Sachsen in Summe zu zurückhaltend, was Haltung zeigen und Initiative ergreifen angeht?

Es ist auch nicht einfach, mit einem solchen Thema an die Öffentlichkeit zu gehen – es taugt nicht für PR. Und wir sind keine politische Institution, sondern nur ein Unternehmen. Aber es ist eine Art Bürgerpflicht, dass wir uns diese Entwicklung nicht bieten lassen, dass wir sagen: Stopp! Die Grenze ist überschritten.
Gleichzeitig halte ich es auch für wichtig, dass wir im übertragenen Sinne die Arme öffnen und Menschen integrieren, die sich ganz offensichtlich bedroht und benachteiligt fühlen – dass wir zuhören, Fragen stellen, versuchen, mit dem Unmut anders umzugehen. In Großstädten lebende Akademiker mit Eigentumswohnung haben es vielleicht leichter, mit den Zumutungen des Alltags und mit Ängsten umzugehen; hier braucht es wieder mehr Zuhören, Hinsehen... Zurück zu Nomos Glashütte: Wir verkaufen unsere Uhren nicht vorrangig an Sachsen in Sachsen, sondern an Menschen in und aus aller Welt. Also müssen – und wollen wir – schon deshalb Stellung beziehen. 

Sind übergreifende Kampagnen angesichts der momentanen Lage aus Ihrer Sicht sinnvoll? 

Klar. Es braucht eine Gegenbewegung nicht einzelner, sondern ein Bündnis aller, die hier ein Zeichen setzen wollen und die sich ihre Gesellschaft anders wünschen. Dieser Tage sehen wir, dass Politik in unser Leben stark eingreift; niemand kann mehr ernsthaft sagen: Das geht mich nichts an. Es gibt eine kollektive Verantwortung, es ist Bürgerpflicht – wir alle müssen den Anfängen wehren. Ich würde mir wünschen, dass die sächsische Regierung nun vorangeht und eine solche Kampagne ins Leben ruft. Wir wären dabei, wir würden helfen.

Nomos beschäftigt in Sachsen rund 300 Mitarbeiter und ist nach eigenen Angaben deutscher Marktführer bei der Herstellung mechanischer Uhren. Bereits zur Bundestagswahl hatte sich der Mittelständler offen gegen die AfD gestellt. Der Unternehmenssitz Glashütte liegt mitten im Wahlkreis der früheren AfD-Chefin Frauke Petry in der Sächsischen Schweiz-Ostererzgebirge.

Mehr zum Thema lesen Sie in der kommenden Ausgabe von W&V, die am 3. September erscheint (Heft 36/2018). Am 3. September findet in Chemnitz auch das Konzert zu #WIRSINDMEHR statt, bei dem unter anderem die Toten Hosen und Kraftklub auftreten.


Autor: Daniela Strasser

Redakteurin bei W&V. Interessiert sich für alles, was mit Marken, Agenturen, Kreation und deren Entwicklung zu tun hat. Außerdem schreibt sie für die Süddeutsche Zeitung. Neuerdings sorgt sie auch für Audioformate: In ihrem W&V-Podcast "Markenmenschen" spricht sie mit Marketingchefs und Media-Verantwortlichen über deren Karrieren.